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Falsche Paratexte: zur poetischen Funktion lexikographischer Passagen in Romanen
Lexikographische Textformen können in narrative Werke integriert sein. Scheinbar erfüllen sie dabei rein informative Funktionen und bilden dabei eine Art von Lesehilfe oder Hilfstext – einen Paratext im Sinne Gérard Genettes. Tatsächlich stellen sie selbst einen Teil der ästhetischen Komposition dar und sind als Pendants der Narration zu betrachten.


Lawrence Norfolk: »Lemprière’s Dictionary« (1991)

Norfolks historischer Roman handelt von einem Mann, der ein Kompendium der in antiken Texten auftretenden Namen und ihrer Träger schreibt, um gedanklich Ordnung in die behandelten Gegenstände zu bringen. Der umfangreiche Roman enthält selbst eine Fülle an historischen und mythologischen Reminiszenzen – u.a. viele antike Namen. Im letzten Kapitel des Romans beginnen die einzelnen Absätze mit den Buchstaben des Alphabets in alphabetischer Folge. Zur Orientierung des Lesers, aber auch in Abstimmung auf die den Roman prägende Wörterbuch-Thematik enthält der Roman ein alphabetisches Verzeichnis von Personen und Orten; das Verzeichnis wurde vom Übersetzer erstellt, doch Norfolk selbst hatte bereits einen Grundstock an Sacherläuterungen geliefert. Einen erheblichen Raum nimmt der vermeintliche Paratext ein, der tatsächlich als integraler Bestandteil des Romans zu betrachten ist: »Historische und mythologische Orts- und Personennamen in alphabetischer Reihenfolge« (713-750). Zudem werden die einzelnen Kapitel des Romans durch Sacherläuterungen ergänzt.