»Wort. Eine Verbindung von Lauten, die in uns eine geistige Vorstellung erweckt, heißt Wort. Es gibt auch zusammengesetzte Wörter, zum Beispiel: Apfelmus. Üblich ist es, nur Apfelmus zu sagen, obwohl eine Anzahl Äpfel in Betracht kommt und man also auch Äpfelmus sagen könnte. Wir bleiben aber hier und im folgenden bei Apfelmus. Anders ist es bei Rinderbrust, die nur von einem Rind kommt, oder bei Hühnerei, obwohl nur ein Huhn es gelegt hat, Eisenbahnbrücke, obwohl täglich, ja stündlich die Eisenbahnen über die Brücke fahren, Gartentür, Lampendocht, Kaffeetasse, kommen in diesem Zusammenhang nicht in Betracht, ebensowenig Hochzeitsgeschenk, Vaterlandsliebe, Einfaltspinsel, Sicherheitsdienst, Weihnachtsabend, Landschaftsmaler. Das sind Wörter, die wir ausmerzen werden. Ebenso Wartesaal, Singstunde, oder gar Speisekarte, das ist die Karte, die zum Speisen gehört, ebenso Speisekammer, Speisezimmer, Speisesaal, alles unschöne Worte, die im Mund nichts zu suchen haben; alles grobe Geschmacklosigkeiten. Alle Worte existieren. Das Publikum aber kennt sie nur in ihrer Ausdehnung, ihrer Höhe und Breite; ihre Tiefe kennt das Publikum nicht oder nur selten, ihr Fleisch und ihr Blut, ihren Saft, ihren Geschmack, ihre Schmerzhaftigkeit und ihren Wohlgeruch. Was für den einen ein Wort ist, ist für den anderen nichts. So kommt es, daß kaum jemals zwei Menschen bei einem Wort genau übereinstimmen. Wie groß wird aber die Übereinstimmungslosigkeit, wenn es sich nicht nur um ein Wort, sondern um eine Folge von Worten, einen sogenannten Satz, oder um eine Folge von Sätzen, eine sogenannte Seite, oder um eine Folge von Seiten, ein sogenanntes Buch handelt. So kommt es, daß, was für den einen ein Buch ist, für den anderen nichts ist, nichts, gar nichts. Das Studium des Buches spielt dabei noch nicht einmal eine Rolle; schon das Wort Buch läßt Teile des Publikums in einen schlafähnlichen Zustand versinken. Sie schütteln wie im Traum ihre Köpfe und wie im Traum entfernen sie sich, um eine Gegend zu erreichen, wo, wie im Traum, kein Buch ist, kein Wort. Nur eine schöne stöhnende Stille. Ich war übrigens einer der ersten, der die Existenz dieser Stille, dieser schönen, stöhnenden Stille erkannt und beim Namen genannt hat. Klomm hat ganz andere Namen dafür, ganz andere Bezeichnungen. Wir können sie getrost übergehen. Erst in diesem Jahrhundert hat die Menschheit die ganze ungeheure Tragweite meiner Worte begriffen.« (Welt- & Wirklichkeitslehre, 179f.)
»Schrift«: »[…] Die erste Frage, die sich einer, der etwas aufschreiben will, vorzulegen pflegt, ist die: was soll ich aufschreiben. In vielen Fällen kann diese Frage durch bloßes Nachdenken geklärt werden.« (Welt- & Wirklichkeitslehre, 141)