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Getilgtes, Gebrauchtes, Abgenutztes, Ausgestorbenes, Verlorenes: Lexikographik des Verschwindens
Verschwindende Wörter: Bodo Mrozek: »Lexikon der bedrohten Wörter«

Nicht nur Dinge, Institutionen und Gebräuche verschwinden in einer schnellebigen Welt immer rascher, sondern auch Wörter. Bodo Mrozek hat darum ein »Lexikon der bedrohten Wörter« zusammengestellt, dessen Titel eine Anspielung auf Listen bedrohter Tierarten darstellt. Zum einen werden damit die Wörter in Überspitzung der geläufigen Formel von der ›lebendigen Sprache‹ zoomorphisiert, zum anderen werden (leise ironisch) Wissensmuster und -inhalte der Biologie auf die Sprachwissenschaft als eine Kulturwissenschaft übertragen. Der Klappentext verdeutlicht bezogen auf die Wandelbarkeit gesprochener Sprachen, was dem Naturkundler bezogen auf Individuen und Arten auf analoge Weise geläufig ist: Die sogenannte Lebendigkeit der Individuen und Arten ist nur die Kehrseite ihrer Vergänglichkeit, ihrer Disposition (aus) zu sterben und anderen Platz zu machen; der Diskurs über lebendigen Wandel ist das euphemistische Pendant von Verfallsdiskursen.

»Die deutsche Sprache lebt: Allein in den vergangenen zehn Jahren vermehrte sich unser Wortschatz um mehr als 8000 neue Wörter. Was aber passiert mit den alten Begriffen, die uns über viele Jahrzehnte begleitet haben und plötzlich als veraltet gelten? Wann gingen Sie zuletzt ins Lichtspielhaus? Saßen Sie schon einmal in einer Schneckenschleuder? Und gibt es bei Ihnen noch Bandsalat? Eine Großzahl deutscher Wörter stirbt langsam und meist unbemerkt aus: durch Totschweigen. Viele von ihnen sind es aber wert, vor dem traurigen Schicksal des Vergessens bewahrt zu werden.« (Mrozek 2005, unpag.)

Nicht vergessen zu werden hat, unnötig dies zu betonen, natürlich nichts mit Weiterleben zu tun. Mrozeks Wörtersammlung ist eine Kollektion von Mumien. Um das Thema Zeitlichkeit und Vergänglichkeit auch visuell sinnfällig zu machen, simuliert das Cover des Taschenbuches, es sei ein altes, abgenutztes Buch: scheinbar ist das Umschlagpapier an den Ecken abgegriffen, sind die Ränder bestoßen. Die Lektüre der Wörtersammlung wird zur Reise in die Vergangenheit: Abgunst, ablappen, Abspielgerät, Abtritt, Achtgroschenjunge, Adenauerhut, Affe [im Sinne von Tornister], Affenfett, Affenzahn, Afterarzt, Aftermieter, Amisette, Ampelmännchen...