Nicht nur Dinge, Institutionen und Gebräuche verschwinden in einer schnellebigen Welt immer rascher, sondern auch Wörter. Bodo Mrozek hat darum ein »Lexikon der bedrohten Wörter« zusammengestellt, dessen Titel eine Anspielung auf Listen bedrohter Tierarten darstellt. Zum einen werden damit die Wörter in Überspitzung der geläufigen Formel von der ›lebendigen Sprache‹ zoomorphisiert, zum anderen werden (leise ironisch) Wissensmuster und -inhalte der Biologie auf die Sprachwissenschaft als eine Kulturwissenschaft übertragen. Der Klappentext verdeutlicht bezogen auf die Wandelbarkeit gesprochener Sprachen, was dem Naturkundler bezogen auf Individuen und Arten auf analoge Weise geläufig ist: Die sogenannte Lebendigkeit der Individuen und Arten ist nur die Kehrseite ihrer Vergänglichkeit, ihrer Disposition (aus) zu sterben und anderen Platz zu machen; der Diskurs über lebendigen Wandel ist das euphemistische Pendant von Verfallsdiskursen.
Nicht vergessen zu werden hat, unnötig dies zu betonen, natürlich nichts mit Weiterleben zu tun. Mrozeks Wörtersammlung ist eine Kollektion von Mumien. Um das Thema Zeitlichkeit und Vergänglichkeit auch visuell sinnfällig zu machen, simuliert das Cover des Taschenbuches, es sei ein altes, abgenutztes Buch: scheinbar ist das Umschlagpapier an den Ecken abgegriffen, sind die Ränder bestoßen. Die Lektüre der Wörtersammlung wird zur Reise in die Vergangenheit: Abgunst, ablappen, Abspielgerät, Abtritt, Achtgroschenjunge, Adenauerhut, Affe [im Sinne von Tornister], Affenfett, Affenzahn, Afterarzt, Aftermieter, Amisette, Ampelmännchen...