Peter Handkes Übersetzung dieses zuerst 1947 in französischer Sprache erschienenen Werkes wurde 1982 publiziert. Ponges »Notizbuch« ist zugleich ein poetischer und ein poetologischer Text; es koppelt die Beschreibung von Dingen eng an die Reflexion über solche Beschreibung. Schon in seiner auf den 24. Mai 1941 datierten Vor–Notiz zum eigentlichen »Notizbuch« formuliert Ponge sein poetisches Programm: »Das Große Recht des Objekts anerkennen, sein unwandelbares Recht«. Es gelte, immer wieder »zurück[zu]kommen auf das Objekt selbst« (Pnge 1982, 7). Der Ausdruck: »›an‹ der Loire schreibe[n]« bekommt einen mindestens doppelten Sinn; dient er doch nicht nur der Lokalisierung des Schreibenden, sondern charakterisiert diesen zugleich auch als jemanden, der sich schreibend nahe »an« seinem Objekt aufhält, sich »an« diesem buchstäblich entlangschreibt. Das »Recht« des Objekts ist durchzusetzen gegen die Sprache und ihren Eigensinn. Zu entdecken wäre das »Rohe« am Objekt (Ponge 1982, 7). In den Dienst des Objekts selbst sollen alle poetischen Mittel gestellt werden.
Paradigma des »Objekts« ist in diesem Werk eben der »Kiefernwald«; der Schreibprozeß stellt sich dar als dessen Erkundung und Eroberung.
Ponge vergleicht sich in seiner ›Selbst‹-losigkeit mit dem Forscher, dem es ja gleichfalls um das Erkenntnisobjekt an sich gehe. »[…] ich möchte weniger Poet als ›Forscher‹ sein. Meine Sehnsucht richtet sich weniger auf ein Poem als auf eine Formel, auf eine Klärung von Eindrücken. Wäre es möglich, eine Wissenschaft zu begründen mit dem Material ›ästhetische Eindrücke‹, so wünschte ich der Mann dieser Wissenschaft zu sein.« (Ponge 1982, 111) – Zum Programm der Selbst–losigkeit poetischer Darstellung vgl. Gerd Henninger: Vorbemerkungen zu Francis Ponge: Lyren. Ausgewählte Werke. Frz.–dt. Ausgabe. Dt. v. Gerd Henninger (»Proemes« in der Übers. v. Katharina Spann). Frankfurt/M. 1965, S. 8. – Das Objekt, und nur dieses soll sichtbar gemacht werden – wobei die Beschreibung keinen Eigenwert, sondern gleichsam die Funktion einer gläsernen Hülle haben darf (vgl. Ponge 1982, 17). Ponges Freund Gabriel Audisio macht ihn allerdings auf das Problem aufmerksam, daß eine ungefilterte Erfahrung nicht möglich ist – in einem Brief, welcher dann dem »Notizbuch« beigefügt wird:
Ponge will beschreiben, um sichtbar zu machen: hier den Kiefernwald. Genauigkeit erscheint ihm als oberstes Stilideal (vgl. Ponge 1982, 110). Gesucht und erprobt werden »Einfache und treffende Ausdrücke für den Kiefernwald«, wobei angeführten Beispiele – hier etwa: »›Geruhsame Holzfabrik‹« – einen Willen zur produktiven sprachlichen Gestaltung verraten und mit trivialer Benennung nichts zu tun haben (Ponge 1982, 33). Ausdrücke sollten nicht wie selbstverständlich benutzt, sondern aus ihrer Sedimentierung zu Klischees erlöst werden (vgl. Ponge 1982, 77).