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Listen
Die Liste ist ein Modell bzw. Konzept, das Umberto Eco zum Thema einer rezenten Veröffentlichung gemacht hat. Sie kann als Vorform der Enzyklopädie gelten.

Umberto Eco: »Die unendliche Liste«, München 2009 (Orig.: »Vertigine della lista«, Mailand 2009)


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Wenn man sich mit Darstellungen fingierter literarischer Werke, genauer gesagt: mit Aufzählungen verschiedener solcher Werke, mit katalog- oder lexikonartigen Beschreibungen von Werken – oder aber mit Listen erfundener oder doch verfremdend porträtierter literarischer Autoren befaßt, dann ist die Unterscheidung zwischen zwei Typen von Listen: der pragmatischen Liste und der poetischen Liste, hilfreich.

  • Die pragmatische Liste besitzt praktische Orientierungsfunktion: Sie wird angelegt, um etwas aufzuzählen, was es gibt, was es gab oder was es geben soll (im Sinn eines Einkaufszettels oder eben im Sinn einer Aufzählung noch zu schreibender literarischer Texte. Sie ist, zumindest bezogen auf den Kontext, in dem sie entsteht, endlich (wenn auch vielleicht oft unvollständig). Man kann nur bestimmte Mengen an Dingen einkaufen, nur bestimmte Mengen an Büchern schreiben – und man besitzt nur bestimmte Mengen an Dingen, hat so und so viel Bücher geschrieben etc.
  • Die poetische Liste wird, wie Eco sagt, verfaßt, um eine ›Idee der Unendlichkeit‹ zu vermitteln. Sie verweist als Aufzählung über sich hinaus. Sie sagt: Es gibt noch mehr als das, was ich nenne; sie sagt: ich kann gar nicht alles nennen; sie sagt: das prinzipiell Nennbare ist unerschöpflich. (Und darum wird sie z.B. bei Werken der religiösen Kunst eingesetzt, um die Unendlichkeit Gottes oder des Universums indirekt zum Ausdruck zu bringen – oder in Listen wie denen Christian Boltanskis, um anzudeuten, daß sich keineswegs alles darstellen läßt.)

Ihre Funktionen ließen sich wie folgt unterscheiden:

  • Die ersten dienen dazu, in ernsthafter oder verspielter Form eine gewisse Zahl von Werken oder Autoren darzustellen, die entweder ganz frei erfunden sind oder die doch wenigstens die verfremdeten, weil literarischen Doubles von wirklichen Autoren sind – um dem Leser einen Überblick über bestimmte Fälle von erfundenen oder realen Werken oder Autoren zu geben. Über bestimmte Fälle, die es schon ›gibt‹: über fingierte Werke und Autoren, die von anderen Schriftstellern erfunden und beschrieben worden sind – und die insofern als literarische Gegenstände bereits existieren. Das ›pragmatische‹ an solchen Listen ist, daß man auch dann, wenn sie eine literarisch verspielte Form haben, aus ihnen Informationen ziehen kann: über das, was sich manche Schriftsteller an literarischen Autoren oder Werken ausgedacht haben, oder über bestimmte reale Autoren, die existieren und die nun aus einer bestimmten Perspektive bzw. Haltung heraus charakterisiert werden.
  • Die anderen, die ›poetischen‹ Auflistungen, Katalogisierungen und Lexika fingierter Werke und Autoren wären demgegenüber dazu da, um über sich selbst hinauszuverweisen, um durch Aufzählung einer notgedrungen begrenzten Menge von imaginären Werken auf andere hinzuweisen, die nicht beschrieben werden und die vielleicht nicht einmal beschreibbar sind. Ja, die vielleicht nicht einmal schreibbar sind. Poetische Kataloge weisen hin auf Grenzen der Darstellung und des Darstellbaren, auf das, was über positive Repräsentationen hinausgeht.