Wer Wörter erfindet, schafft aus der Perspektive einer Sprachkonzeption, die das weltformende, ja weltschöpferische Potential der Sprache betont, Neues: Die Wörter bringen ihre imaginären Signifikate hervor. Wo ein Name ist, da ist – zumindest in der Imagination des Sprachbenutzers – auch bald ein Wesen, das diesen Namen trägt. Die Erfindung von Wesen aus Wörtern bzw. mittels der Sprache wird in literarischen Texten teils betrieben, teils zugleich reflektiert. In Lewis Carrolls Roman »Alice in Wonderland« tritt eine Mock Turtle auf, die – wie andere Carrollsche Geschöpfe auch – ihre Existenz einem Namen verdankt: dem Namen der Mock Turtle Soup, der falschen Schildkrötensuppe. Wenn die Existenz von Schildkrötensuppe die von Schildkröten voraussetzt, so ist – so der spielerische Fehlschluß, der dieses Wesen hervorbringt – aus der Existenz von Mock Turtle Soup auf die einer Mock Turtle zu schließen. Ein analoges Daseinsrecht wie letztere hat die »Rocking Horse Fly«, vom »Jabberwocky« ganz zu schweigen. Wortgeschöpfe, aus Namen entstanden, sind bei Christian Morgenstern neben dem Nasobem u.a. der Werwolf und die Westküsten: anthropomorph porträtierte Wesen, deren Verhalten oder Lebensform allein durch ihren Namen bestimmt ist.
Ernst Jandl als Nachfahre Carrolls und Morgensterns erfindet zu einer Versammlung weiblicher Wesen mit vertrauten Namen die jeweils passenden männlichen Partner hinzu:
der atz der bors der bruh der burst der durr der etud der fohr der fras der grat der halft der hohl der krot der kuch der mahn der mahr der mohr der od der rohr der rusch der saur der scharp der strahn der wasch der wurd der wurz der zahr |
die ätze die börse die brühe die bürste die dürre die etüde die föhre die fräse die gräte die hälfte die höhle die kröte die küche die mähne die mähre die möhre die öde die röhre die rüsche die säure die schärpe die strähne die wäsche die würde die würze die zähre |