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Schreiben auf sich verzweigenden Pfaden. Lexika von Dichtern, Büchern und Texten als Formen der Metaliteratur
III. Über Kataloge imaginärer Autoren und Werke

Die katalogisierende Darstellung fingierter Autoren ist natürlich etwas anderes als die ›lexikographische‹ Darstellung wirklicher Autoren zu satirischen oder unterhaltenden Zwecken nach dem Modell Blei/Steinhövel und Heckmann/Schönborn.

Zu unterscheiden sind aber auch die Katalogisierung fremdfiktionaler Dichter (also solcher Figuren, die andere Autoren sich ausgedacht haben) und die Erfindung von Dichtern durch den Lexikographen selbst, der damit seine Gegenstände zugleich mit der Abfassung seines Katalogs hervorbringt. Die Formen, in denen letzteres geschieht – also Dichter und ihre Werke, die im Zug ihrer katalogisierenden Beschreibung durch die Phantasie überhaupt erst geschaffen werden – sind beispielsweise fingierte Berichte über (aufgelistete) Oeuvres fingierter Autoren sowie Sammlungen von Kommentaren, Kritiken oder ähnlichen ›Paratexten‹ über fingierte Werke.

Eng verwandt und oft verbunden mit der Erfindung von Autoren ist die Erfindung von Büchern, die Beschreibung imaginärer Werke. (Freilich verbindet sich nicht jede Geschichte über einen erfundenen Schriftsteller auch schon mit einer Darstellung seines Werks, und es gibt umgekehrt auch imaginäre Bücher, von deren Verfassern wir allenfalls den Namen und manchmal nicht einmal den Namen erfahren.)

Das Erfinden und Beschreiben imaginärer Werke (respektive Bücher) findet auf zwei Ebenen eine Art potenzierende Fortsetzung: (1) Zum einen gibt es ganze Listen und Kataloge imaginärer Werke, und zwar entweder innerhalb literarischer Fiktionen, also etwa als Werkverzeichnisse eines imaginären Autors – oder aber in Form von Verzeichnissen, die Literaturhistoriker angelegt haben, um den Erfindungsreichtum der Schöpfer imaginärer Bücher zu dokumentieren. (2) Zum anderen geschieht es manchmal, daß ein Buch, das zunächst nur imaginäre Existenz besitzt, nachträglich realisiert wird.