B.
Bücher und Alphabete, Bücher als Alphabete
Über lexikographisches Schreiben als Genre
Übergänge, Entdifferenzierungen

Das Interesse an Übergängen und Entdifferenzierungen scheint zum Reiz der Lexikonform maßgeblich beizutragen.

  • Neben dem Sachbuch, das seine Inhalte in literarisierter Form präsentiert, stehen literarische Schreibweisen, die zugleich informative Funktionen haben; die Übergänge sind fließend.
  • Fließend ist auch der Übergang zwischen Büchern, die zu Unterhaltungszwecken geschrieben werden, und ambitionierten literarischen Texten; gerade das Interesse an der lexikographischen Form verbindet Verfasser von Geschenkbüchern mit denen avantgardistischer und experimenteller Werke.
  • Schließlich begründet das Interesse am Lexikographischen auch einen Brückenschlag zwischen Literatur und bildender Kunst – genauer: zwischen literarischem Text und Künstlerbuch. Künstlerbücher nehmen – ähnlich wie literarische Texte – in verschiedener Weise auf die Form des Lexikons Bezug.
Im Grenz- und Übergangsbereich zwischen fiktionaler Erzählliteratur und Sachbuch lokalisieren sich insbesondere vielfältige lexikographische Darstellungen, in denen es um fiktive Gegenstände und Wesen, um Gegenstände individueller oder kollektiver Imaginationen geht: Es gibt Lexika imaginärer Wesen – Welten – Orte und Topographien – Wissenschaften – Sprachen – Künstler – Schriftsteller – literarischer Werke sowie Lexika der Träume – Mythen – Fabeln. Einerseits unterscheiden sich diese Lexika vom traditionellen Konversationslexikon dadurch, daß es die in ihnen vorgestellten Gegenstände, Wesen, Welten etc. nicht gibt. Andererseits gibt es das Dargestellte eben doch – nämlich als Inhalt bestimmter literarischer Werke oder auch werkunspezifischer kollektiver Vorstellungen. Über diese Inhalte zu informieren bedeutet also, ein Segment kulturellen (vielfach literaturbezogenen) Wissens aufzubereiten. Ein Lexikon, das die Welt des »Lord of the Rings« oder des »Harry Potter« darstellt, kann hinsichtlich der realen Informationen über imaginäre Gegenstände einem Lexikon mythologischer Figuren durchaus an die Seite gestellt werden. Gleichzeitig ist die Abfassung eines entsprechenden Kompendiums aber auch als Verlängerung des literarischen Schreibprozesses ins Lexikograpische hinein beschreibbar – als Fortsetzung erzählerischer Fiktion mit modifizierten Mitteln.