K.
Kritische Reflexionen über Sprache und Vokabular:
Literarische Texte über Wörterbücher
Hermann Burger: »Blankenburg«

Hermann Burger erzählt in seiner Novelle »Blankenburg« (in: Blankenburg, Frankf./M. 1986) die Modellgeschichte eines Ichs, das sich durch sein allzu gieriges und intensives Eintauchen in die Welt der literarischen Werke an Sprachlichem übernommen hat – wie jemand, der sich den Magen verdirbt oder dessen Augen ermüden. Burgers Ich-Erzähler weiß die Wörter-Welt nicht mehr zu verarbeiten, verliert schließlich gleichermaßen den Bezug zu Wörtern und Dingen. Nebel breitet sich um ihn aus; Differenzlosigkeit scheint alles zu absorbieren. In diesem Zustand der »Leselosigkeit« bekommt der am »Morbus Lexis« Erkrankte von einer den Kosmos des Literarischen repräsentierenden, quasi-allegorischen Frauengestalt den Weg zur Sprache und damit zur Welt zurück gewiesen: Die Herrin von Blankenburg läßt ihm das »Deutsche Wörterbuch« der Brüder Grimm zukommen, und er liest sich Band für Band, Wort für Wort die Welt und sein eigenes Selbst wieder zusammen. Was in »Blankenburg« als der Geschichte einer erfolgreichen Wörterbuch-Kur mit grasgrünem Grimm allerdings nur angedeutet wird, tritt in Burgers Erzählung über den »Mann, der nur aus Wörtern besteht« stärker heraus: Für den, der allein mittels der Wörter zu den Dingen und zu sich findet, gibt es eben keinen unmittelbaren Welt- und Selbstbezug (Burger: Der Mann der nur aus Wörtern besteht. In: Ein Mann aus Wörtern. Frankfurt a. M. 1986, S. 239-241). In einer Wörter-Buch-Welt, die das Ich zur Vokabel macht, ist gerade der passionierte Leser und Schriftbenutzer nichts anderes als ein »Mann aus Wörtern«. Und auch der Bericht über sich selbst und die eigene Heilung ist nichts als Zitat.