K.
Kritische Reflexionen über Sprache und Vokabular:
Literarische Texte über Wörterbücher
Motive des Interesses an Wörterbüchern und Vokabularien

Wörterbücher, Vokabularien und primär sprachbezogene Lexika können als als Modelle literarischer Schreibweisen interpretiert werden, weil sie der Einführung in einen ›fremden‹ Sprachraum, einen unvertrauten Sprachgebrauch dienen.
Für manche Autoren ist die Form des Lexikons ein Modell für satirisches Schreiben. In diesem Fall versteht sich Literatur implizit als zeit- und gesellschaftskritische Instanz – und konkreter: als sprach- und diskurskritische Instanz. Andere Autoren verwenden wörterbuchanaloge Schreibweisen, um mit sprachlichen Beständen phantasievoll zu experimentieren, Sprachliches zu verfremden, zu verwandeln, Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern. In diesem Fall versteht Literatur sich implizit als Arbeit an der Sprache, als Kunst des Verfremdens und des Konventionsbruchs.
Wiederum andere orientieren sich am Wörterbuch, um sich möglichst subtile Mittel zur Darstellung der Wirklichkeit zu erarbeiten, diese zu entdecken, zu erschließen oder – zu erfinden. Hier versteht sich Literatur implizit als ein sprachlicher ›Dienst an den Dingen‹ als Erkundungsgang – als an Sprache gebundenes Experiment.
Wer sich mit Wörterbüchern beschäftigt, beschäftigt sich in jedem Fall mit Möglichkeiten der Erweiterung seines Ausdrucksrepertoires. Darum können die Recherche im Wörterbuch und das Experimentieren mit dem Wörterbuch zu einem Gleichnis des literarischen Sprachgebrauchs als solchem werden, wenn man denn (wie viele Vertreter der Literatur in der Moderne, teils schon in der Romantik) den Sprachgebrauch der Literatur über seine Abweichung vom alltäglichen, codifizierten Sprachgebrauch versteht und ihm eine andere Qualität zuschreibt.