K.
Kritische Reflexionen über Sprache und Vokabular:
Literarische Texte über Wörterbücher
Satirische Sprachkritik und Ausstattung imaginärer Welten mit Vokabeln

Die Form des satirischen Wörterbuchs oder Glossars gehört zu den frühen Spielformen der literarischen Mimikry an sachkundliche bzw. wissenschaftliche Schreibweisen, welche sich in der Text-Form selbst niederschlägt. In der Aufklärung entstehen satirische Wörterbücher/Glossare, welche die Form des ›ernsthaften‹ Wörterbuchs/Glossars imitieren, um ihre kritische Botschaft zu vermitteln – die vordergründig auf bestimmte Formen der Wörterverwendung zielt, darüberhinaus aber auf Formen gesellschaftlicher Praxis (die sich etwa durch Euphemismen oder andere sprachliche Manipulationen tarnen).
Erinnert sei an die beiden Funktionen literarischer ›Mimikry‹ an wissenschaftliche bzw. sachkundliche Schreibweisen: also an die Funktion der Illusionsverdichtung (a) und der Satire/Parodie/Kritik (b), sei es an einem Gegenstand oder einer Tatsache, sei es an wissenschaftlichen Darstellungsweisen, sei es an der Gelehrtenkultur oder an allgemeinen Lebensformen und Ausdrucksweisen: (a) im ersteren Fall (Illusionsverdichtung) zielt die literarisch-pseudowissenschaftliche Darstellungsform auf die Aufhebung oder doch Verringerung von Distanz: Die Imagination des Lesers soll stimuliert werden; er soll durch die fiktionale Welt möglichst gründlich absorbiert werden; (b) im zweiten Fall (Satire/Parodie/Kritik) zielt der Text auf Erzeugung von Distanz.
Auch bei den Wörterbüchern/Glossaren sind diese beiden Tendenzen grundlegend:
Illusionsverdichtung – und die Erzeugung kritischer Distanz (etwa durch Satire). Beide Formen des Umgangs mit ›literarischen Wörterbüchern/Glossaren‹ beruhen auf der Überzeugung von der prägenden Bedeutung von Sprache für die menschliche Erfahrung, den menschlichen Weltbezug, für die Art, wie wir Dinge auffassen, interpretieren und ordnen, für das soziale Miteinander und für die Verständigung über sich selbst. Anders gesagt: Die Idee sprachlich begründeter Welt-Bilder ist beiden Spielformen des ›literarischen Wörterbuchs‹ affin: der ersten, insofern sich hier »Welt« offenbar dadurch gestalten läßt, daß man Sprache(n) erfindet – der zweiten, insofern Sprach-Kritik indirekt Kritik an der (sozialen) Welt ist (und zwar eine, die etwas bewirken möchte).