K.
Kritische Reflexionen über Sprache und Vokabular:
Literarische Texte über Wörterbücher
Sprachschöpfung

Als ein drittes Motiv kommt im Fall der literarischen Wörterbücher/Glossare noch der Impuls zur kreativen Arbeit an der Sprache hinzu. Es korrespondiert der Vorstellung, Dichtung sei ein sprachschöpferischer Prozeß bzw. das Produkt kreativen Umgangs mit Sprache – was auch Verfremdung, Entstellung, Deformation, Irritationserzeugung einschließt. Die entsprechenden Schreibweisen sind einer Ästhetik der Verfremdung, der ›Entautomatisierung‹ verpflichtet, die im 20. Jahrhunderte in Poetik und Kunsttheorie eine dominierende Rolle spielt. Sie prägt etwa das Schaffen der Dadaisten mit ihren subversiven Wortschöpfungen, hat Auswirkungen im Bereich der (sog.) Nonsensdichtung, wird maßgeblich für Neuorientierungsversuche in der Dichtung nach der NS-Ära (als die ›alte‹ Sprache unter den Verdacht geriet, historisch kontaminiert zu sein), und sie stimuliert die Neu-Avantgarden zu vielfältigen Sprachexperimenten. Auch dieses dritte Motiv – das Interesse am Spiel mit Wörtern und an der spielerischen Verfremdung von sprachlichen Beständen, das Unterbreiten von Vorschlägen zu neuen Wörterbüchern also – korrespondiert der Überzeugung von der Bedeutung von Wörtern, Sprache und Sprachgebrauch für die Erfahrung von »Welt« und für die Auseinandersetzung des Menschen mit dieser (intellektuell und praktisch).