Ganz anders und deutlich positiver akzentuierend, berichtet Peter Handkes Ich-Erzähler in »Die Wiederholung« von einem Wörterbuch seines Bruders. das ihm als eine Schwelle zu den Dingen gilt (Peter Handke: Die Wiederholung. Frankf./M. 1986). Werkheft und Wörterbuch des Bruders sind hier Wiederholungen (!) der Dingwelt, die an sich selbst bereits Signaturencharakter besitzt. Das slowenische Wörterbuch macht Unsichtbares sichtbar – durch seine »anderen Namen«. »Wurde durch ein derartiges Übersetzen aus einem blinden Lesen nicht ein sehendes, aus einem blicklosen Tun nicht ein Wirken?« (Handke: Die Wiederholung, 165) – »Durch einen anderen als den gewohnten Namen bekam der Wörterbuch-Leser erst einen Sinn für die Dinge.« (Handke: Die Wiederholung, 201). Nicht allein, daß das es die Wirklichkeit der Landschaft, des Gartens zugleich bildhaft erstehen und bedeutsam werden läßt; es macht über die Wort-Geschichten individuelle und kollektive Geschichte lesbar. Das Ich selbst fühlt sich angesprochen durch die Einträge im Wörterbuch. »Sollte ich den Vokabeln also statt Märchenkraft nicht eher die Wirkung eines Fragebogens zuschreiben: Wie ist es mit mir? Wie ist es mit uns? Wie ist es jetzt?« (Handke: Die Wiederholung, 209)
Bruder Gregors Wörterbuch ist also ein Beschwörungsbuch, es enthält die Formeln der Dinge in Schriftgestalt. Als »Umschreibungen« der slowenischen Vokabeln sind die deutschen Erläuterungen Sprach-Kreise von raum-erschließender Kraft: in ihrem Kreis erscheint das Gegenständliche wie in einem Akt magischer Evokation.
Das Wörterbuch als Sammlung von Umschreibungen wird bei Handke zum Modell des poetischen Textes selbst. Denn dieser will eine Leerform sein, um Abwesendes evozieren zu können. »Und die Leerform hieß: Erzählung.« (Peter Handke: Der Chinese des Schmerzes. Frankf./M. 1986, S. 11)
Die bei Sartre, Burger und Handke erfolgende Verwandlung des Wörterbuchs zur poetologischen Metapher kann also ganz unterschiedlichen Akzenten unterliegen.