Q.
Quidditch, Flubberwürmer, Hobbits und Orks:
Über Enzyklopädien und Fantasyliteratur
»Litteratur«, »Alphabet« und »Textur« (Kilcher): Drei Formen der Enzyklopädistik

Andreas Kilcher hat der in seiner Monographie über Enzyklopädistik (Kilcher 2003) verschiedene Enzyklopädie-Modelle in ihrer jeweiligen historisch-diskursiven Bedingtheit beschrieben und im Zusammenhang damit viele Beispiele literarischer Enzyklopädistik untersucht (A. Kilcher: mathesis und poiesis. Die Enzyklopädik der Literatur 1600 bis 2000, München 2003). Unterschieden wird in Kilchers Buch zwischen drei Spielformen der Enzyklopädistik, die Kilcher mit den Stichworten »Litteratur«, »Alphabet« und »Textur« charakterisiert.

  1. Enzyklopädien des ersten Typs zielen darauf ab, in ihrer eigenen Systematik die Welt als systematisches Ganzes abzubilden (nach Sachgebieten, die als geordnet unterstellt werden); die Voraussetzung einer gegebenen Ordnung der Dinge bestimmt hier die darstellerischen Verfahren, und die Abbildbarkeit der gegebenen Weltordnung in der Sprache wird unterstellt.
  2. Alphabetisch organisierte Enzyklopädien implizieren demgegenüber die Abkehr vom Glauben an eine vorgegebene systematische Totalität des Wißbaren. Hier wird das Wissen einer Ordnung unterworfen, die nicht in den Dingen selbst gegründet ist; bezogen auf die Präsentationsform kehrt sich das Bedingungsverhältnis von res und verba um. In seiner alphabetischen Darbietung erscheint das Wissen partikularisiert, was u.a. zur Voraussetzung für einen kreativen Umgang mit ihm wird. Verweissysteme innerhalb alphabetisch strukturierter Wissenskompendien verknüpfen die einzelnen Bereiche miteinander; ihre Nutzung ist optional. 1674 erscheint das »Grand dictionnaire historique« von Louis Moréri, die erste große alphabetische Enzyklopädie Westeuropas. Entsprechend konnte dann auch »die alphabetische Schreibweise der Enzyklopädie ihrerseits auch zur Form der Literatur werden« (Kilcher 2003, 21). Kilcher erörtert in diesem Sinne auch »die Möglichkeiten einer alphabetisierten Literatur« – also literarische Lexikonprojekte – »eine enzyklopädische Schreibweise der Literatur, die nicht zufällig das 18. Jahrhundert erfunden hatte« und die sich bis zur Gegenwart »als Modell eines Schreibens an den Rändern oder außerhalb der Vorgaben der Werkästhetik erweist.« (21)
  3. Von enzyklopädischen »Texturen« spricht Kilcher schließlich dort, wo das Wissen keiner statischen Ordnung mehr unterliegt, auch nicht der arbiträren alphabetischen.