Der Gedanke, daß der Gedanke der Wirklichkeit begründend vorausgehe, bewirkt in der fiktiven Wirklichkeit Tlöns also, daß diese tatsächlich dem Gedanken zu folgen beginnt. So gelingt es beispielsweise, verlorene Dinge durch gedankliche Konzentration auf sie ein zweites Mal zu realisieren: Was man denkt, ist mit einemmal da, weil es gedacht wurde. Diese vom Denken erzeugten Doubletten der Ausgangsgegenstände, ein wenig größer als diese selbst (erscheint nicht das Verlorene rückblickend stets als etwas größer?), heißen »hrönir«. Nach ersten Zufallserfolgen produziert man sie absichtvoll und gezielt. Daß die Erzeugung von Gegenständen aus der Phantasie Methode haben kann (und in Tlön hat), belegt ein Beispiel, das von den Verfassern des 11. Enzyklopädie-Bandes auf 100 Jahre vor der beschriebenen Gegenwart zurückdatiert wird (freilich: in einer imaginären Zeitordnung):
Wenn die Vergangenheit veränderbar ist, ist die Zeitreihe reversibel, die Zeitordnung selbst imaginär. Gibt es eine kategoriale Scheidung zwischen Realem und Imaginärem ebensowenig wie eine zwischen »Früherem« und »Späterem«, dann kann die imaginative Realisierung von Gegenständen auch nicht von einer »früheren« Realität dieser Gegenstände abhängig sein. Entsprechend kann es in Tlön nicht bei der Erzeugung von erinnerten (bzw. genauer: als »erinnert« interpretierten) Dingen bleiben. Während die »hrönir« die gedanklich-imaginativ erzeugten Doubletten von Primärgegenständen sind, die zumindest in der gedachten Vergangenheit einmal existiert haben, kennt man auch eine zweite Klasse solch erdachter Dinge, die allein aus der Einbildungskraft entstehen und nur auf Suggestionen und Hoffnungen beruhen: Solche Dinge nennt man »Ur«, und dieser Name, auch im Originaltext enthalten, paßt gut zu einem nicht abgeleiteten Gegenstand. (Nachträglich lassen sich von den spirituell erzeugten Gegenständen immer wieder neue imaginativ erzeugte Kopien ableiten. Diese zeigen dann vielleicht Abweichungen von ihren Vorformen; ihre Gestalt mag reiner sein, aber irgendwann zerfallen sie auch.) Hrönir werden zuerst zufällig erzeugt und dann planvoll produziert. Eine andere Gattung imaginativ erzeugter Objekte ist nicht einmal mehr von realen Urbildern abhängig: »[…] reiner als das hrön ist manchmal das ur: das durch Suggestion erzeugte Ding, der von Hoffnung herangebildete Gegenstand.« Die Macht der Phantasie hat ihre Schattenseite: Abhängig von ihrer Erzeugung durch eine spirituelle Anstrengung, lösen die Objekte in Tlön sich leicht auf, wenn sie keiner Aufmerksamkeit gewürdigt werden. Darum ist die Wirklichkeit von Tlön instabil, fragil, verschwimmend.