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Tlön und seine Enzyklopädien
Die beiden zweiten Enzyklopädien von Tlön

(a) Zum Genre des Künstlerbuchs: Selbstreflexionen des Buchs
In vielen Spielformen des Künstlerbuchs reflektiert sich das Buch selbst – unter anderem als multimedialer Wissensspeicher, als materielles Objekt und als Artefakt im Grenzbereich zwischen sprachlicher und bildlich-graphischer Gestaltung. Dem Künstlerbuch eng benachbart sind Buchobjekte, die durch ihre materiale Ästhetik die Grenzen der Lesbarkeit bespiegeln; Bücher in Kästen und Schachteln nehmen Bezug auf eine komplexe Semantik des Sammelns, Verwahrens, Verbergens und Verweigerns.

(b) Zum Vergleich der beiden ›Enzyklopädien‹
Zwei Künstler-Duos – Ines von Ketelhodt/Peter Malutzki sowie Barbara Fahrner und Markus Fahrner – haben jeweils zweite Enzyklopädien geschaffen. Ihre Werke entstanden ab 1997 im Ausgang von gemeinsamen Vorüberlegungen, verzweigten sich dann aber in zwei verschiedene und konzeptionell deutlich differierende Projekte. Was sie verbindet, ist die initiierende Rolle, die der Borges-Text über Tlön gespielt hat, aber auch, daß sie als Gemeinschaftsprojekte realisiert wurden – so wie auch bei Borges die Enzyklopädie ein Kollektivprojekt ist. An der Fahrnerschen Unternehmung waren von vornherein noch weitere Partner beteiligt. Einer Internetpräsentation zufolge war anfangs vorgesehen, andere Künstler zur Mitwirkung einzuladen, Bücher, Graphiken oder Texte beizusteuern.
Die zweite Enzyklopädie von Barbara und Markus Fahrner besteht aus abgeheftete Unterlagen in insgesamt fünf grünen Aktenordnern. Dies, wie auch der Umstand, daß vielfach gefaltete Papiertaschen, Umschläge und andere ›Behältnisse‹ abgeheftet sind, scheint dazu einzuladen, die Enzyklopädie durch Hinzufügungen fortzuführen.
Die Tlön-Enzyklopädie der Künstler Ines von Ketelhodt und Peter Malutzki besteht aus 50 gebundenen Büchern gleichen Formats (bei unterschiedlicher Dicke der Bände). Jeder der Bände ist einem Stichwort und über dieses Stichwort einem Thema zugeordnet. Die Darstellungsformen der Themen variieren erheblich; was die Bände allerdings gemeinsam haben und ihre Kohärenz begründet, ist die Signifikanz ihrer Materialität, ihrer sinnlich-konkreten Dimension: Papierbeschaffenheit, Papierstruktur, Bildformen, Farben, Seitenlayout und haptische Qualität spielen unterschiedlichste, stets aber wichtige Rollen. Entsprechend den auf den Buchrücken angezeigten Stich- und Themenwörtern sind die Bände alphabetisch geordnet. Verbindendes Thema beider »Zweiten Enzyklopädien« sind das Buch und seine Bestandteile, seine Materialien und Strukturen. Mit dieser Thematik schließen die Künstler an Borges an.