X.
Das unbekannte Ich als Gegenstand biographischer und autobiographischer Enzyklopädien und Lexika
Warum eigentlich Autobiographie?

Die Biographie und die Autobiographie sind literarische Gattungen – und als solche haben sie eine Geschichte: eine Geschichte der wechselnden Schreibweisen, eine Geschichte der wechselnden Ansprüche und Erwartungen an den Biographen oder Autobiographen. Bei aller Variabilität dieser Ansprüche: Die Idee, daß es um die Darstellung einer Totalität von Erlebtem und Erfahrenem gehe, aus dem sich entsprechende Erkenntnisse gewinnen lassen – die Idee einer ›enzyklopädischen‹, ganzheitlichen Beschreibung, prägt die Gattung. Dies gilt auch dann, wenn dieser Anspruch als uneinlösbar betrachtet wird, wenn Biographie oder Autobiographie also eher skeptisch unter dem Aspekt betrachtet werden, daß alle Erkenntnis bedingt und perspektivisch, fragmentarisch und temporär ist. Und auch unter dem Vorzeichen der Skepsis und des Relativismus verbindet sich (ggf. via negationis) der Anspruch mit (auto-)biographischen Schreibweisen, Lebensläufe als Zusammenhänge darzustellen – und ihren Sinn aus dieser Kohärenz abzuleiten. Dargestelltes Leben ist im Zusammenhang und als Zusammenhang dargestelltes Leben; und mit jeder Darstellung verbindet sich ein Moment der Interpretation, der Deutung, der Sinnzuweisung. So zumindest die regulative Idee der (Auto-)Biographistik.