Dieses Buch ist ›autobiographisch‹. Das Leben des Schriftstellers Barthes wird aber in Absetzung von Gattungskonventionen der Autobiographie nicht linear im Sinn einer kohärenten, womöglich sinnvollen Folge, dargestellt, sondern vor den Augen des Lesers in einzelnen Stücken ausgebreitet. Barthes vergleicht diese Text-Stücke mit Steinen, die jemand im Kreis um sich herumlegt. Der solcherart in Stücken vorliegende Text korrespondiert einem Ich, das sich als zerstückelt wahrnimmt.
Das Subjekt ist für Barthes keine Einheit, keine homogene ›organische‹ Instanz, sondern etwas Zerstreutes, Partikuläres:
Damit ist die Basis konventionellen autobiographischen Schreibens hinfällig (vgl. Carlo Brune, Roland Barthes, 248). Die traditionelle Form des autobiographischen Bekenntnisses erscheint obsolet.
Das Modell des ›zerstreuten‹ Subjekts wirft die Frage auf, wie sich dieses schriftstellerisch abbilden läßt. In seiner Abhandlung »Sade, Fouriera, Loyola« schreibt Barthes:
Wie Carlo Brune betont, ist »Roland Barthes par Roland Barthes« die Umsetzung dieses Wunsches, nämlich »eine bewusst fragmentarische, sich von der narrativen Kontinuität des traditionellen autobiographischen Diskurses radikal abgrenzende Form autobiographischen Schreibens.« (Brune 2003, 248) Schon der Titel und die Typographie des Titels (ROLAND BARTHES par roland barthes) deuten an, daß der ›Beschriebene‹ (ROLAND BARTHES) nicht einfach ein sich ›authentisch‹ artikulierendes Ich ist, sondern eine Kunstfigur, die (ganz buchstäblich) abhängig von den Buchstaben ist. »All dies muß als etwas betrachtet werden, was von einer Romanperson gesagt wird.« (Barthes 1978, 5) So wird das dargestellte Leben zum Kunstwerk; das künstlerische Arrangement bedingt, daß dieses »Leben« lesbar wird. Das autobiographische Ich ist seine eigene Inszenierung, so wie auf einem Theater inszeniert wird. In »Fragments d’un discours amoureux« heißt es über den Liebenden, dieser sei sein eigenes Theater; Analoges gilt für das autobiographische Ich (vgl. dazu auch Brune, 249).
Der Inszenierungscharakter des eigenen Ichs bzw. des eigenen Lebens wird u.a. durch den ständigen Wechsel der Perspektive auf »Roland Barthes« angedeutet. Das ›autobiographische‹ Ich erscheint so als ein aus Artikeln zusammengestücktes Patchwork-Ich. Dieses schreibend herzustellen, ist die eigentliche Motivation des Schriftstellers, der Lust am (entstehenden) Text hat.