Die jeweilige Form der Texte Boccaccios, Lessings, Potockis und Pavićs korrespondiert der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Frage nach den drei Religionsgemeinschaften der Juden, Christen und Moslems. Pavićs Buch provoziert die Frage nach den Konsequenzen und den Grenzen der Anerkennung des Anderen und der Assimilation ans Andere. Er ambiguisiert damit nicht nur in der von seinen Vorläufern begründeten literarisch-philosophischen Tradition die Wahrheitsfrage, sondern zugleich die Idee der Toleranz. Der kleine Junge, der Dr. Muawija nach Aussage Atehs erschießt, beschimpft zuvor die westlichen Demokratien mit groben und drastischen Worten. Er ist zwar einer der drei Teufel, welche im Roman in verschiedenen Erscheinungsformen auftreten, aber er skizziert trotz dieser phantastischen Provenienz auf eine ernüchternd realistische Weise eine Welt des globalen Terrorismus.
Daß gegenwärtig nicht mehr einfach nur die Majoritäten die Minoritäten unterdrücken, sondern die Minoritäten dadurch an Macht gewonnen haben, daß sie nun die Majoritäten terrorisieren (Pavić, 355), erscheint als Indiz dafür, daß es in der historischen Welt nicht allein kein klares Kriterium zur Differenzierung zwischen Gut und Böse mehr gibt, sondern auch die spontane Solidarität mit Minderheiten und Unterdrückten mittlerweile anachronistisch geworden ist.
Die in Prinzessin Ateh verkörperte Poesie überlegt und bezeugt alles, auch das Schrecklichste: das ist noch die positivste Botschaft, die Pavićs Roman vermittelt, in dem es drei Teufel (für jede Religion einen), aber keinen Gott gibt. Ateh, die Chasarin, ist jedoch von einer Toleranz gegenüber dem, was sie beobachtet, die der Indifferenz beklemmend ähnlich sieht.