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Verrätseltes, Verfremdetes, Verborgenes, Verzerrtes, Verfremdetes: Ror Wolfs poetische Ratgeberbücher
Der Lexikograph als ›Tranchirer‹

Der Name ›Tranchirer‹ deutet an, daß der Leser in den Ratgeberbüchern Ror Wolfs ›Wissen‹ scheibchenweise, artikelweise, fragmentiert vorgesetzt bekommt – wie es der Form des alphabetischen, nach Artikeln gegliederten Lexikons entspricht. Tranchirer ›zerlegt‹ die Welt der bürgerlichen Wissenskultur aber auch noch in anderem Sinn – er ›analysiert‹ sie durch seine Parodien.

»Wahrheit. Selbst ich kann hier nicht auf einmal sämtliche Wahrheiten und Tatsachen fassen. Deshalb ist es notwendig, die Wahrheit in Abschnitte einzuteilen. In die große Wahrheit und eine große Anzahl kleiner, zusammen aber die große Wahrheit ergebender Gedanken.« (Welt- & Wirklichkeitslehre, 172)

Die fiktive Gestalt des Lexikographen Tranchirer hält die verschiedenen – immer wieder in Artikelsequenzen von A bis Z gegliederten – Ratgeberbücher zusammen. Seine eigene Geschichte lässt sich dabei skizzenhaft rekonstruieren. Was sich in den Ratgeber-Büchern selbst als Paratext gibt, ist insgesamt Bestandteil eines Spiels, teilweise auf transparente Weise. (In seiner 1. Auflage (Giessen: Anabas-Verlag, 1983) enthält »Raoul Tranchirers vielseitiger großer Ratschläger für alle Fälle der Welt« nach einer Selbstcharakteristik ohne Titel (3) sowie einem Absatz unter dem Titel »Allgemeine Vorausbemerkungen & Winke zum Gebrauch des vorliegenden Werkes« (5) je ein »Vorwort zur zweiten«, »zur dritten«, zur »vierten veränderten (!)« und »zur fünften Auflage« (6, 7, 8, 9). Die Vorbemerkung zur »vierten veränderten Auflage« bricht einfach ab.) Also werden schon im ersten Band verwirrende Angaben zu aufeinander folgenden Auflagen gemacht. Die »letzten Gedanken« (1994) werden als Vermächtnis Tranchirers präsentiert, der zu diesem Zeitpunkt selbst angeblich verschwunden ist. Elf Jahre später (2005) aber erscheinen die »Bemerkungen über die Stille« und der »Taschenkosmos«. Wenn in Annoncen, Besprechungen und Kommentaren gelegentlich die Rede davon ist, ›Tranchirers‹ auf fünf Bände angelegte Enzyklopädie sei zum Abschluß gelangt, so ist dies als Fortsetzung des Spiels anzusehen, das der Autor mit dem Leser treibt.

Tranchirer schreibt im Ton des Biedermannes, dessen Sachkompetenz seiner Stimme Gewicht gibt und der die Interessen ebenso wie das Fassungsvermögen seines Publikums stets im Auge behält. Dabei sind vielfältige Quellen ausgewertet worden, vor allem Lexika und andere sachkundliche Bücher aus dem Umfeld der bürgerlichen Wissenskultur. Zitiertes und neue Texte vermengen sich. Wo der Autor Wolf bei der Zusammenstellung von »Tranchirers« Nachschlagewerken schlicht fremdes Textmaterial zitiert und wo er eigene Artikel oder Teilartikel verfaßt hat, läßt sich in vielen Fällen zwar mutmaßen, aber nicht klar erkennen.